Höhlen im Sauerland

Als 1868 die Dechenhöhle bei Iserlohn entdeckt wurde, rückten die Höhlen des Sauerlandes in den Fokus der Wissenschaft. Johann Carl Fuhlrott, der Forschungspionier und Entdecker des Neandertalers, schrieb 1869 „…diese neue Höhle übertrifft an Schönheit der Tropfsteingebilde, an Zahl der Kammern und gewölbten Säle Alles, was bis jetzt noch entdeckt wurde, und darf sich in dieser Beziehung den bekanntesten und besuchtesten (Höhlen) kühn an die Seite stellen!“.

Mit der Entdeckung der Dechenhöhle setzte auch der Zustrom von Touristen aus Nah und Fern in das nördliche Sauerland ein. Später wurden weitere Tropfsteinhöhlen wie die Warsteiner Bilsteinhöhle, die Reckenhöhle und die Balver Höhle im Hönnetal sowie die Heinrichshöhle in Hemer oder die Attahöhle erschlossen. Das Sauerland hatte seine Attraktionen, der Tourismus konnte beginnen. Zahlreiche, zum Teil große Tropfsteinhöhlen wurden neu entdeckt und spektakuläre Höhlenfunde haben unser Bild von den Höhlen um viele Puzzlestücke anwachsen lassen. Das Sauerland ist eines der bedeutendsten Höhlengebiete Deutschlands mit schon knapp tausend bekannten Höhlen.

Höhlen – also natürlich entstandene Hohlräume im Gestein, die groß genug sind, einem Menschen Platz zu geben – haben sich durch die auflösende Wirkung des Grundwassers in wasserlöslichen, sogenannten verkarstungsfähigen Gesteinen wie Kalkstein gebildet. Das Sauerland wird größtenteils aus nicht verkarstungsfähigen Tonschiefern und Grauwacken aufgebaut. In kleinen Arealen kommen Kalksteine vor, die einige der größten und schönsten deutschen Höhlen enthalten.

Die Kalksteine haben sich vor etwa 380 Millionen Jahren aus den Ablagerungen von Korallen- und Schwammriffen in tropisch flachen Meeresbecken gebildet. Die Verteilung von Land und Meer unterschied sich völlig von dem heutigen Bild. Durch die Kontinentalverschiebung geriet das Sauerland allmählich an seine heutige Lage auf der Erde. Der Massenkalk spielt unter den Gesteinen des Sauerlandes aufgrund seines Reichtums an Höhlen eine herausragende Rolle.

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Eine fossile Koralle an einer Felswand. - © Sebastian Kramer

Die Kalksteine verwitterten und wurden im Laufe der Zeit durch kohlensäurehaltige Grund- und Niederschlagswässer aufgelöst. Dabei entstanden im Untergrund Höhlen und an der Erdoberfläche bildete sich die Karstlandschaft, die oftmals durch Trockentäler („Wasserlose Täler” , Schledden), Dolinen (Trichter an der Oberfläche, die zum Beispiel durch eingestürzte Höhlen entstanden sind) oder Großkarrenfelder wie das Felsenmeer in Hemer geprägt ist.

Die ältesten Höhlen aus der Kreidezeit sind heute in Kalksteinbrüchen aufgeschlossen und meist mit Sand und Ton verfüllt, der teilweise sogar Zähne und Knochen von Dinosauriern enthält. Die heutige Landschaft des Sauerlandes mit den steilen Kerbtälern ist geologisch gesehen sehr jung. Sie bildete sich in den letzten 800.000 Jahren des Eiszeitalters heraus. Durch eine Hebung des Sauerlandes im Süden schnitten sich die Flüsse in den Untergrund ein und die heutigen Täler entstanden. In den Karstgebieten entstanden in den Warmzeiten unsere heutigen großen Höhlen. Das Grundwasser strömte den jungen Taleinschnitten durch die Risse und Fugen des Kalksteins zu und löste den Kalk auf. In den Kaltzeiten sank der Grundwasserspiegel infolge der Taleintiefung und die Höhlen fielen trocken. Auf diese Weise entstanden mehrere horizontale Höhlenetagen. 

Höhlen sind vergleichsweise abgeschlossene Bestandteile der Landschaft. Dennoch stehen sie über Eingänge, Spalten oder Schächte in Verbindung mit der Erdoberfläche. Luft, Wasser und Lehm sowie Lebewesen und ihre Reste können in die Höhlen gelangen. Aus dem Sickerwasser bilden sich in einer mit Luft erfüllten Höhle oft Tropfsteine. In den Hohlräumen können sich Ablagerungen sammeln und in manchen Fällen kann eine Höhle vollständig verfüllt werden. Dieser Höhlenlehm bleibt in den Höhlen über lange Zeiträume unversehrt erhalten und ist ein Spiegelbild der Lebensbedingungen außerhalb der Höhlen. Für Wissenschaftler sind Höhlensedimente ein Archiv der Erdgeschichte. In den Höhlen finden sich daher Reste von Tieren und Pflanzen aus der Zeit der Dinosaurier bis heute. 

Regenwasser versickert im Boden und verbindet sich dort mit dem Kohlendioxid aus der Bodenluft zu Kohlensäure. Kohlensäurehaltiges Wasser löst entlang von Gesteinsrissen Kalkstein auf. Wenn das kalkhaltige Wasser in eine Höhle gelangt und mit Luft in Berührung kommt, entweicht Kohlendioxid. Dadurch kommt es zur Abscheidung von Kalk. Zu Beginn bilden Wassertröpfchen kleine Kalkröhrchen, die man Makkaroni-Stalaktiten nennt. Verstopft das Röhrchen, fließt Wasser außen an den Seiten ab und verdickt das Röhrchen zu einem Deckenzapfen. Fallen die Tropfen auf den Boden, wird weiterer Kalk abgesetzt und es entsteht ein Stalagmit.

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"Makkaroni" mit Tropfen in der Dechenhöhle. - © Sebastian Kramer

Tropfsteine können nur wachsen, wenn Wasser sich mit Kohlensäure anreichern und in eine Höhle versickern kann. Diese Bedingungen waren vor allem in den Eiszeiten unter Bodenfrost nicht immer gegeben. Wachstum von Tropfsteinen konnte nur in wärmeren Abschnitten erfolgen, im Durchschnitt etwa 1 mm in 10 Jahren, in den Eiszeiten wurden die Tropfsteine teilweise durch Frost und Eis wieder zerstört.

Die Höhlen des Sauerlandes sind herausragende Natur- und Bodendenkmäler. In manchen Höhlen gibt es auch Fledermäuse, Höhlenspinnen oder andere Tiere, die an das Leben in der Dunkelheit angepasst sind. Die Höhlen sind das erdgeschichtliche und kulturelle Gedächtnis der Region. Sie sind in erster Linie Geotope, die vor Vandalismus geschützt werden müssen. Dieser Aufgabe kommen vor allem die ehrenamtlich tätigen Höhlenvereine nach, die die besonders großen und schützenswerten Höhlen mit einbruchsicheren Stahltoren vor unbefugtem Zutritt schützen –

meist in Eigeninitiative und ohne öffentliche Mittel. Sie sind es auch, die die exakte Ausdehnung der Höhlensysteme erforschen und in Höhlenplänen dokumentieren. Dabei gehen die Höhlenforscher äußerst behutsam vor, denn natürlich liegen ihnen der Schutz und Erhalt der Höhlen sehr am Herzen. Die Entdeckung und die Vermessung von Höhlen sind übrigens die wichtigsten Schritte des Höhlenschutzes, denn nur was bekannt ist, kann auch geschützt werden. Infos gibt es im Internet bei dem Verband der Deutschen Höhlen- und Karstforscher e.V. (www.vdhk.de).

In den fünf Schauhöhlen der „Sauerland-Höhlen“ besteht die Möglichkeit, den Menschen das „Naturwunder Höhle“ näher zu bringen und sie zu einem verantwortungsvollen Umgang mit den Höhlen anzuleiten. Hier können wir ihnen zeigen, dass Höhlenforschung Abenteuer und Wissenschaft ist – und nur was der Mensch kennt, kann er auch lieben und schützen!